Tag 80

Der Tag heute ist ausschliesslich zum Trampen gedacht. Von Bismil bis nach Goereme sind es 727 Kilometer. Laut Google Maps sind dafuer 10h30 veranschlagt. Ich bin also gespannt, ob ich alles an einem Tag schaffe. Die Sonne geht mittlerweile viel zu frueh unter und so muss ich um 16h30 schon im letzten Auto sitzen, da Trampen in der Dunkelheit nicht wirklich einfach ist.

Ich stehe also um 6h30 auf und packe alles zusammen. In einem Geschaeft bekomme ich etwas Karton und schreibe die naechste Stadt darauf, um sicherzugehen, dass die Fahrt ueber die sichere noerdliche Route und nicht an der Grenze Syriens entlangfuehrt. Es dauert leider ewig bis ich die richtige Strasse zum Trampen finde, da mir irgendwie jeder Passant andere Informationen gibt. Ein paar schicken mich zum Busbahnhof, andere einfach irgendeine Strasse runter, die ins Nichts fuehrt. Irgendwann habe ich es dann aber geschafft und ein Auto nimmt mich mit. Der Fahrer ist Kurde und wir fahren gemeinsam bis nach Diyarbakir, als ich von meiner Reise durch Kurdistan erzaehle, freut er sich. Er laedt mich noch zum Fruehstueck ein und so essen wir Pide und trinken Tee. Er faehrt zwar nicht mehr aus der Stadt raus, bringt mich aber noch an eine Strasse die nach Elazig fuehrt.

Als ich an der Strasse stehe, bekomme ich einen sanften Hieb mit einem Stock auf die Schulter. Ich drehe mich um und hinter mir steht ein rund 70 jaehriger Hirte, der sich nicht ganz auskennt, was ich hier mache. Ich versuche es ihm zu erklaeren, da ich aber so gut wie kein Tuerkisch kann, hat das alles keinen Sinn. Ich entferne mich also von ihm und seinen 50 Schafen.

Nach einer halben Stunde werde ich dann mitgenommen. Der Fahrer ist Vertreter und gerade auf einer Geschaeftsreise nach Elazig unterwegs. Als wir so reden, stellt sich heraus, dass er nach seinem Termin bis nach Kayseri faehrt. Die Stadt liegt in der Nähe von Goereme, also will ich den Geschaeftstermin abwarten und dann wieder mit ihm mitfahren. In Elazig fahren wir in ein riesen Textilgeschaeft und es gibt wieder mal Tee. Der Fahrer verhandelt rund 2 Stunden und ich unterhalte mich derweil mit einem anderen Angestellten, der frueher in Deutschland gearbeitet hat.

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Das Geschaeft ist abgeschlossen, also geht die Fahrt weiter. Wir haben gutes Wetter und machen eine Raucherpause bei einem See. Das ist ueberigens der erste Fahrer, mit dem ich mitgefahren bin, der zwar raucht, dafuer allerdings stehen bleibt. Gerade in der Tuerkei ist das hoechst selten. Trotz Rauchverbot in Cafes und Restaurants wird hier ueberall gequalmt.

Wir kommen in Kayseri so gegen 19h00 an, es macht also keinen Sinn heute noch weiter nach Goereme zu trampen. Der Fahrer steuert ein Wohnhaus an und steigt aus. Er fordert mich auf ihm zu folgen und so betreten wir seine Wohnung. Es empfangen uns sein Sohn und seine Frau. Der Sohn ist 23 Jahre alt und studiert derzeit in Zypern. Zum Glueck spricht er Englisch und so kann er fuer den Rest der Familie dolmetschen. Wir essen alle gemeinsam und es dauert nicht lange, bis die Frage nach meiner Unterkunft kommt. Ich erklaere ihnen, dass ich mir wohl ein guenstiges Hotel suchen werde. Als sie das hoeren, bieten sie mir einen Schlafplatz in der Wohnung an. Mich freut das natuerlich und so kann mir Ouz, der Sohn, die Stadt zeigen.

Wir fahren auf einen Huegel um ueber Kayseri zu blicken. Die Stadt ist nicht wirklich besonders, sie steht aber im starken Kontrast zu dem was ich die letzten Wochen so gewohnt war. Die Strassen sind gerade und sauber, alles wirkt relativ neu und die Gebaude sind deutlich hoeher. Als wir den Huegel wieder hinunter fahren, erklaert mir Ouz, dass es in seiner Stadt keine Bars gibt. Wir fahren also in ein Cafe. So schlimm ist die Sache auch nicht, ich will ja morgen wieder frueh aufstehen.

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Im Cafe spielen wir Backgammon und trinken Tee. Es ist schon eine Weile her, dass ich das Spiel gespielt habe, aber die Regeln sind ja nicht allzu kompliziert. Irgendwann ist es dann Mitternacht und wir machen uns auf zur Wohnung.

Tag 79

Mein Visum ist noch fuer drei Tage gut, aber ich muss mich beeilen, um wieder nach Oesterreich zu kommen. Heute ist also Abreisetag, es geht wieder zurueck in die Tuerkei. Ich stehe relativ zeitig auf, verabschiede mich noch von Bill und Jess und treffe mich mit Karwan in seinem Restaurant. Wir fruehstuecken noch gemeinsam und nachdem er mich mit etwas Wasser fuer den Weg versorgt, spaziere ich der Strasse entlang und versuche an den Stadtrand zu kommen.

Ein bisschen Wehmut ist dabei, jetzt wieder alleine zu reisen, aber es hat auch sehr viel Gutes. Ich bin wieder ausschliesslich von mir selbst abhaengig und es gibt auch keine Noergeleien mehr von Jess, die sich im Irak nicht immer wohl gefuehlt hat.

Nach ein paar Kilometer habe ich einen guten Platz gefunden und das uebliche Spiel beginnt. Ich scheuche die Taxis weg und halte mein Schild offensiv zu allen anderen Verkehrsteilnehmern. Ein brandneuer Chrysler bleibt stehen und nimmt mich ein paar Kilometer mit. Er kann mich zwar nicht ganz bis zur Grenzstadt Zacho brigen, dafuer zahlt er mir fuer die letzten Kilometer das Taxi. Ich komme somit bis direkt vor die Grenze und muss nun eine Moeglichkeit finden, die Grenze mit einem Auto zu ueberqueren. Grenzuebertritte zu Fuss sind verboten. Es dauert nich lange und ein Junge kommt auf mich zu und bietet mir an, mit ihm ueber die Grenze zu fahren. Das soll allerdings etwas kosten. Aus Mangel an Alternativen druecke ich ihm meine letzten Irak-Dinar in die Hand, er nickt und es geht los.

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Der ganze Uebertritt dauert rund 1h30. Ausschliesslich Kleintransporter und LKWs befinden sich an der Grenze und alle, wirklich alle schmuggeln massig Zigaretten. Ich habe natuerlich auch ein paar Zigaretten dabei, allerdings bin ich wohl der Einzige, der sich an die gesetzlichen Limits haelt.

Ich kann mit den Jungs sogar bis nach Cizre fahren, was an der Grenze zum Irak und Syrien liegt. Aufgrund der derzeitigen Situation und den Aktivitaeten der PKK, gibt es auch hier Militaer-Checkpoints. Anders als im Irak, kann man hier nicht gemuetlich mit den Uniformierten quatschen. Waehrend unsere Paesse kontrolliert werden, zielt ein anderer Soldat auf unsere Koepfe.

Mit zwei weiteren Autos komme ich dann bis nach Batman. Heute wollte ich aber weiter kommen, doch es wird schon dunkel. Die einzige Moeglichkeit ist nun der Bus. Ich gehe zum Busbahnhof und kaufe mir ein Ticket fuer 2 Euro in die naechste Stadt. Irgendwie glaube ich, dass ich von einer kleinen Stadt leichter wegtrampen kann, da ich den Stadtrand schneller erreiche.

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In Bismil angekommen, stellt sich heraus, dass es genau ein Hotel in der Stadt gibt. Zuerst will der Rezeptionist 50 Lira, ich kann ihn noch auf 40 runter handeln, dann ist aber schluss. Es waere wohl schlauer gewesen in Batman zu bleiben, da es mehr Konkurrenz und somit bessere Preise gibt.

Den Abend verbrige ich im Internetcafe, zumindest solange bis der Strom ausfaellt und sich fuer lange Zeit nichts mehr ruehert. Es ist zwar erst 21h30, aber ich gehe zurueck zum Hotel. Morgen soll es frueh losgehen, da ich etwas ueber 700 Kilometer schaffen will.